Einmal in der Apple Family
Mein erster eigener Computer war ein „Apple“. Voll gestylt und mit einer Halbkugel unter dem Bildschirm. Über 10 Jahre leistete er mir gute Dienste. Doch irgendwann bereitete das Surfen im Internet keinen Spaß mehr. Es dauerte zu lange bis sich eine Seite öffnete. Ich war allerdings noch nicht bereit, mir einen anderen Computer zu kaufen. Zunächst wollte ich versuchen, meinen „Power Mac“ (apple iMac G4) wieder fit zu bekommen. Da ich mitten in Hamburg wohne, wendete ich mich an den nächst großen Apple-Laden auf dem Jungfernstieg. Dort erhielt ich einen Termin an der Geniusbar(!). Ein kleines Problem war das Gewicht und die Größe meines Power Macs. Das Gerät auf dem Fahrrad zu transportieren fiel als Möglichkeit aus. Ich entschied mich, das gute Stück in meinen größten Rollkoffer zu packen, ihn die fünf Treppen bis vor die Haustür zu tragen und mit einem Taxi die zwei Kilometer Distanz zu überwinden. Damit meinem Apple unterwegs nichts passierte, wickelte ich ihn in Betttücher und einen Bademantel.
Das Apple-Geschäft in Hamburgs nobler Innenstadt ist nicht nur ein Laden, auch kein übliches Geschäft. Es ist ein Tempel der Apple-Comunity, in dem viele junge „Brüder“ in Uniform arbeiten dürfen und ihre Apple – Geschwister gerne bedienen. Meist natürlich mit einem Knopf im Ohr, so dass die Kundin, pardon: Schwester, sofort erkennt, hier ist geballtes digitales Know-How vorhanden.
Der erste Bruder begrüßte mich herzlich, duzte mich, die ich seine Mutter hätte sein können, und trug mir selbstverständlich den Koffer zur Geniusbar hoch. Das wiederum gefiel mir.
Mittlerweile erkannte ich, dass ich, sowie mein Computer völlig veraltet waren. Die vielen Tische in der imposanten Halle
waren bestückt mit winzig kleinen Apple-Geräten bzw. iPhones, iMacs, iMacBooks, iPads. Davon hätten sicher 50 allein in meinen Rollkoffer gepasst. Nun war ich schon vor Ort. Ich entschied, möglichst würdig als ältere Apple-Tante aufzutreten Schließlich waren wir ja eine Familie…. Mir wurde ein zentral einsehbarer Platz an der genialen Bar zugewiesen, wo schon fünf andere Personen mit ihren kleinen defekten Apple-Teilen beraten wurden.
Ich bat um einen Platz in der Ecke. Bald lagen die Bettlaken sowie der blaue Bademantel fest geknuddelt im verschlossenen Koffer an der Bar und mein Power Mac thronte auf dem Tresen.Die Reaktionen der jungen apple-Brüder konnte ich nicht vorausahnen: „Was, den gibt’s noch?“, „Oh, ist der echt? Wie süß!“, „Darf ich den mal berühren?“, „Wie, der funktioniert?“. Mittlerweile fühlte ich mich so heimisch und irgendwie bedeutend, dass ich ihnen meinen Apple zum Tausch für einen moderneren anbot. Darauf ging niemand ein…
Zwei Männer wandten sich schließlich dem Urahnen der iPods, iPads und iPhones zu. Sie konnten nur geringfügig helfen. Mein Power Mac war eindeutig an seine Grenzen gekommen. Freundlichst führte ein Apple-Bruder mich und meinen wieder gut umwickelten Computer zum Aufzug. Ich sei jederzeit in der Apple-Family willkommen.
Erst Monate später verließ ich diese besondere Gemeinschaft. Ich kaufte einen ganz normalen Computer. Er sieht nicht schön aus, tut aber seine Arbeit.
Mai 2020